SAP Screen Personas 3.0 – Die Brücke zu Fiori?

Lange Zeit war SAP Screen Personas neben Fiori eher ein Nischenprodukt, dessen Bedeutung ein Schattendasein fristete. Meist wurde es lediglich zum „Ausblenden“ von nicht benötigten Feldern verwendet – doch das Werkzeug kann mehr! Mittlerweile hat sich die Performance und Zuverlässigkeit (auch durch die Abwendung von Silverlight hin zu HTML5) stark verbessert, was einen produktiven Einsatz im Unternehmen sehr interessant macht. Wie ist Screen Personas heute aufgestellt? Der folgende Artikel stellt die aktuelle Version Screen Personas 3.0 SP05 vor und gibt einen Ausblick auf dessen Einsatzmöglichkeiten.

Die Digitalisierung im privaten und beruflichen Bereich schreitet stetig voran. Der Anblick der Nutzeroberfläche SAPGUI lässt jedoch – insbesondere im Vergleich zu modernen User Interfaces (UI) – schnell Zweifel an diesem Fortschritt aufkommen und die neu in den Arbeitsmarkt strömende Generation der „Digital Natives“ verstört innehalten.

Mit der SAPUI5-basierten Technologie Fiori, die von SAP als die (zukünftige) Standard-UI-Technologie gesetzt wurde, hat SAP einiges hin zu benutzerfreundlicheren Oberflächen getan, die an moderne Oberflächen wie zum Beispiel bei Smartphones, Tablets oder modernen Betriebssystemen erinnern. Aktuell ist Fiori vor allem bei den neuesten SAP-Technologien, wie S/4HANA, zu finden. Für Nicht-HANA-Systeme gibt es auch Standard-SAP-Fiori-Apps, aber leider nicht für alle Bereiche und nicht flächendeckend. Fiori-Apps sollten Sie alleine aufgrund der Zukunftsfähigkeit und der größeren Möglichkeiten immer als Entwicklungsvariante prüfen. Allerdings ist der Aufwand für eine selbst entwickelte App für kleinere Anpassungen gegebenenfalls zu hoch – an dieser Stelle kommt Screen Personas ins Spiel.

Lights on: Was ist SAP Screen Personas?

Um dieser Frage nachzugehen, soll zunächst die Definition gemäß SAP aufgezeigt werden:

SAP Screen Personas ist ein Software-Produkt, das in Ihrer bestehenden ERP-Lizenz enthalten ist und Ihnen die Möglichkeit bietet, SAP-Bildschirme zu personalisieren. SAP Screen Personas bietet einen einfachen Drag-and-Drop-Ansatz, um viele gängige SAP-GUI-Bildschirme zu ändern, um die Benutzerfreundlichkeit und die visuelle Attraktivität zu verbessern.

Einfach gesagt, ist Screen Personas ein kostenloses Werkzeug von SAP, mit dem Sie aus angestaubten und unübersichtlichen Nutzeroberflächen nach den Wünschen der Endanwender und im Rahmen der Fiori-User-Experience per Drag-and-Drop personalisierte, klar strukturierte und intuitiv verwendbare, moderne Anwendungen entwickeln können. Dabei sind die Anforderungen an die bestehende Systemlandschaft gering, die Integrationsmöglichkeiten in dieselbe hoch und der Benefit mit Analytics sogar messbar.

Zudem können Sie für verschiedene Benutzergruppen verschiedene Oberflächen je Transaktion (Flavors) und transaktionsübergreifende Layouts (Themes) umsetzen, um die am häufigsten genutzten Transaktionen und Prozesse den Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe entsprechend umzusetzen. Die Verwaltung der Flavors und Themes erfolgt zentral in einer dafür bereitgestellten Admin-Transaktion. Noch spannender wird Screen Personas durch die bereitgestellte, stetig wachsende Flavor Gallery – dort können Kunden und Partner von ihnen erzeugte Flavors, Themes und vieles mehr teilen.

Die Vor- und Nachteile einer Verwendung von Screen Personas wollen wir nachfolgend näher aufzeigen.

Vorteile von SAP Screen Personas:

  • keine weiteren Lizenzen nötig
  • geringer Installations- und Pflegeaufwand (Erfahrungswert: im Idealfall ein Tag für die Installation von Screen Personas pro System)
  • geringer Schulungsaufwand und schnelle Einarbeitung des Endnutzers in die angepassten Transaktionen
  • hohe Effizienz von End-Usern bei der Datenerfassung
  • Reduktion von Erfassungsfehlern
  • schnelle Erstellung optisch ansprechender User Interfaces, weitestgehend ohne Entwicklung:
    • Ausblendung nicht benötigter Felder
    • Zusammenfassung von Tabs
    • Anpassung der Positionierung
    • Zusammenfassung verschiedener Transaktionen
    • Abfangen von Fehlermeldungen
  • gute Integration in bestehende SAP-Landschaft
  • auch adaptive Verwendung mit verschiedenen Bildschirmgrößen (ab Screen Personas 3.0 SP05)
  • Fiori-User-Experience (Theme SAP Belize ab S/4HANA 1610)
  • Aufruf von Funktionsbausteinen als RFC per Skript möglich
  • keine Gateway Services nötig
  • bestehendes Rollen- und Berechtigungskonzept muss nur minimal erweitert werden
  • verschiedene Integrationsmöglichkeiten:
    • Einbindung als Kachel im Fiori-Launchpad
    • Verknüpfung auf dem Desktop
    • Favorit im Browser
    • Einbindung im SAP-Enterprise-Portal als iView

Nachteile von SAP Screen Personas:

  • responsive Umsetzung für mobile Verwendung aktuell nicht verfügbar (siehe unten: Roadmap Screen Personas, Planung dafür steht)
  • das Arbeiten mit Screen Personas erfolgt direkt auf dem datenhaltenden System, daher ist die Trennung von Oberflächen und Daten geringer als bei echten Fiori-Apps
  • komplexe Anwendungen lassen sich mit Fiori besser entwickeln
  • kein vorgefertigter Standard-Content
  • Client-seitige Software (zum Beispiel Browser) sollte aktuell sein

Wie könnte ein mögliches Anwendungsszenario aussehen?

Typische Einsatzgebiete für Screen Personas sind im Prinzip alle (bestehenden, selbst entwickelten und zukünftigen) Transaktionen, die mit einem modernen UI zur Verfügung gestellt werden sollen. Weiterhin bietet sich Screen Personas für Anwendungen an, für die SAP (noch) keine Fiori-Apps zur Verfügung stellt oder deren Implementierung zu aufwändig und damit kostenintensiv wäre. Im nachfolgenden Beispiel wurde die Transaktion “Anzeige von Abwesenheitskontingentinformationen” (T-Code: PT_QTA10) im Bereich SAP HCM Zeitwirtschaft angepasst. Dabei wurde die Selektionssicht mit ausschließlich den vom Nutzer benötigten Feldern versehen. Bei erneuter Suche werden diese Felder direkt oberhalb der Suchergebnisse zur Verfügung gestellt – somit wird ein “Zurückspringen” in die Selektionssicht überflüssig, ein häufiger Wechsel zwischen den Sichten ist hierdurch nicht mehr notwendig.

Einstiegsmöglichkeiten in die Transaktion:

SAPGUI-SAP Easy Access
SAPGUI – SAP Easy Access
Fiori Launchpad - Startseite
Fiori Launchpad – Startseite

 

Arbeiten mit der Transaktion (T-Code: PT_QTA10) ohne und mit Screen Personas:

SAPGUI-Display Absence Quota Information Selektionssicht
SAPGUI – Selektionssicht
Screen Personas-Display Absence Quota Information Selektionssicht
Screen Personas – Selektionssicht

 

SAPGUI-Display Absence Quota Information Listensicht1
SAPGUI – Listensicht ohne Selektion
Screen Personas-Display Absence Quota Information Selektions- und Listensicht1
Screen Personas – Listensicht ohne Selektion

 

SAPGUI-Display Absence Quota Information Listensicht2
SAPGUI – Listensicht mit Selektion
Screen Personas-Display Absence Quota Information Selektions- und Listensicht2
Screen Personas – Listensicht mit Selektion

Was unterscheidet Screen Personas von Fiori?

Der wesentliche Unterschied ist: Bei Screen Personas ist die Grundlage eine bestehende Transaktion und diese kann mit absehbarem Aufwand einfach neu gestaltet und somit im Rahmen der Möglichkeiten von Screen Personas auf die Bedürfnisse der Endanwender zugeschnitten werden.

Ein weiterer Unterschied: Screen Personas ist (derzeit noch) optimiert für den Zugriff auf Desktops, nicht jedoch für den mobilen Zugriff. Eine adaptive Anpassung auf verschiedene Bildschirmauflösungen ist trotzdem automatisiert möglich. Für 2018/2019 hat SAP angekündigt, auch den mobilen Zugriff zu ermöglichen. Fiori hingegen liefert für viele Bereiche bereits vorgefertigte responsive Apps (für Desktops, Smartphones und Tablets), die den Zugriff auf verschiedene Systeme ermöglichen und sich auch relativ einfach Release-sicher anpassen lassen. Mehr Informationen zum Thema SAP Fiori finden Sie hier. Im Gegensatz zu Fiori sind die durch Screen Personas gebotenen Optionen zur Oberflächengestaltung nicht besonders komplex, aber sehr effektiv und einfach umzusetzen.

Screen Personas und Fiori – geht das?

Oftmals ist der goldene Mittelweg der Richtige – so auch bei der Überlegung, Fiori oder Screen Personas im Unternehmen einzusetzen. Beide Techniken sind Bestandteil des S/4HANA-Konzeptes und können im nahezu perfekten Zusammenspiel zu einem konsistenten User Interface ohne spürbare Medienbrüche für den Endanwender führen. Screen Personas hilft dort weiter, wo seitens SAP keine Fiori-Anwendungen out of the box zur Verfügung gestellt werden und bestehende (gegebenenfalls eigenentwickelte) Transaktionen angepasst werden sollen.

Grundsätzlich sollte die Einführung von Screen Personas (wie auch bei Fiori) im Rahmen einer mittelfristig ausgelegten UX-Strategie erfolgen. Dabei sollten die benötigten Oberflächen auf Grundlage weitmöglichst optimierter Prozesse, der zu nutzenden Endgeräte sowie der Bedürfnisse aus Anwendersicht mithilfe von Design-Thinking-Ansätzen bereitgestellt werden. Lassen Sie dabei auch die in Ihrem Unternehmen verwendete Systemarchitektur nicht außer Acht, besonders dann nicht, wenn Sie einen kombinierten Einsatz von Screen Personas und Fiori planen.

Kaum eingeführt, schon wieder veraltet – wohin geht die Reise?

Die vorhergehenden Betrachtungen hören sich gut an, Einschränkungen von Screen Personas sind hauptsächlich im Bereich von mobilen Anwendungen erkennbar und viele der genannten Vorteile entsprechen denen von Fiori-Apps. Vielleicht liegt der Hase bei der Zukunftsfähigkeit des Werkzeugs im Pfeffer? Ein Blick in die entsprechende Roadmap von SAP (Stand: 22.09.2017) zeigt, dass dort viel für die Weiterentwicklung des Werkzeugs Screen Personas getan wird.

Roadmap SAP Screen Personas

Roadmap SAP Screen Personas (Stand 22.09.2017, Quelle: https://www.sap.com/products/roadmaps.html)

 

Auch der kürzlich durch SAP verlängerte Support-Zeitraum für Screen Personas 3.0 Service-Pack 05 (im Einklang mit dem Support für S/4HANA) spricht für die weitere Beschäftigung mit diesem Tool.

Wir sind gespannt auf die Beiträge zum Thema im Rahmen der Konferenz SAP TechEd Barcelona vom 14. bis 16. November 2017 und melden uns anschließend wieder hier im CONET-Blog zu Wort.

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Über den Autor

Foto: Jan Winsche
Senior UX Consultant bei CONET Business Consultants GmbH | Beiträge

Jan Winsche berät als Senior UX Consultant bei der CONET Business Consultants GmbH im Bereich DXM (Digital Experience Management) Kunden in allen Fragen rund um das Thema User Experience, sowohl bei SAP als auch Non-SAP-Lösungen. Er ist SAP Certified Associate Design Thinking sowie UXQB Certified Professional for Usability and User Experience Foundation Level (CPUX-F).

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