Vom Hype zum Nutzen: Wie Unternehmen den richtigen KI-Einsatz erkennen

In einer von Gartner durchgeführten Unternehmensumfrage zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) wurden Unternehmen gefragt: Was sind oder werden die drei größten Hürden bei der Einführung von KI-Technologien in ihrem Unternehmen sein? Einige der Antworten überraschen wenig: fehlende Daten, nicht vorhandene Kompetenzen bei Mitarbeitenden und mangelndes Vertrauen in KI. An erster Stelle stand jedoch ein noch grundlegenderes Thema – nämlich die Unsicherheit über den zu erwartenden geschäftlichen Mehrwert von KI. Trotz der gegenwärtigen Euphorie rund um KI-Technologien bleibt dies ein nüchterner Hinweis darauf, dass mediale Begeisterung und steigende Aktienkurse nicht automatisch mit konkretem geschäftlichem Mehrwert einhergehen.

Inhaltsverzeichnis

Nicht das Was, sondern das Wie zählt: Vom Nutzenversprechen zur Use-Case-Strategie

Was also ist der versprochene Business Value der neuesten KI-Entwicklungen? Meinungen dazu gibt es viele. Statt die Frage direkt zu beantworten, lohnt sich möglicherweise ein Perspektivwechsel – weg vom „Was?“ hin zum „Wie?“: Wie lassen sich potenzielle Wertschöpfungspotenziale von KI im eigenen Unternehmen identifizieren und qualifizieren? Die Antwort auf diese Frage bietet zugleich einen Weg, um solche Potenziale durch geeignete Schätz- und Nachweismethoden systematisch zu bewerten.

Um ein etwas abgenutztes, aber deshalb nicht weniger wahres englisches Sprichwort zu bemühen:

Give a man a fish, and you feed him for a day. Teach a man to fish, and you feed him for a lifetime.

Doch bevor sich die identifizierten Potenziale in echte Wertschöpfung verwandeln, stellt sich eine weitere zentrale Frage: Wer im Unternehmen bringt diese Chancen in die Praxis – und wie? Hier lohnt sich der Blick auf die unterschiedlichen Perspektiven im Umgang mit KI.

Bottom-up trifft Top-down: Zwei Perspektiven auf den KI-Einsatz

Wie bei jeder Business-Transformation gilt: Diejenigen, die am nächsten am Tagesgeschäft dran sind – also Mitarbeitende und andere wichtige Stakeholder – sind oft auch am besten in der Lage, sinnvolle Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Das gilt grundsätzlich für jegliche Art von operativer Verbesserung. Der Trend zu flacheren Hierarchien in Unternehmen spiegelt im Kern genau diese Einsicht wider.

Foto: Gruppe diskutiert

Transformationen, die auf Impulse aus dem operativen Bereich setzen, folgen einem sogenannten Bottom-up-Ansatz. Im Gegensatz dazu steht der klassische Top-down-Ansatz, wie man ihn aus der Managementtheorie kennt – etwa aus dem Taylorismus, bei dem die Steuerung vollständig bei der Führung liegt. In der Realität setzen moderne Unternehmen meist auf eine Mischung beider Ansätze. Die Erfahrung zeigt: Beide Perspektiven sind wichtig, um KI-Wertschöpfungspotenziale zu identifizieren und zu bewerten.

Co-Pilot statt Vollautomatisierung: Warum KI oft als Assistenzsystem überzeugt

Wie Ethan Mollick, KI-Experte und Professor für Management an der Wharton University, argumentiert, betreffen viele der vielversprechendsten KI-Anwendungsfälle der letzten Jahre sogenannte „Co-Pilot“-Funktionen. Anstatt Prozesse vollständig zu automatisieren und menschliche Arbeit zu ersetzen, zielen Co-Pilot-Anwendungen darauf ab, Mitarbeitende auf Augenhöhe zu unterstützen und ihre Produktivität zu steigern. Zum Beispiel können KI-Co-Piloten in der Softwareentwicklung Code-Vorschläge machen, Bugs erkennen und bei der Dokumentation helfen – in Echtzeit und direkt im Arbeitsfluss. In der Kundenbetreuung liefern sie kontextbasierte Antwortvorschläge, ziehen relevante Informationen heran und analysieren die Stimmungslage von Kundenanfragen. Dadurch steigt sowohl die Effizienz als auch die Servicequalität – ohne dass der menschliche Kontakt verloren geht. Diese fortgeschrittenen Co-Pilot-Funktionen sind vor allem durch die jüngsten Durchbrüche im Bereich der generativen KI möglich geworden.

Top-down-Strategien für Automatisierung – Bottom-up für Co-Piloten

Die Identifikation und Qualifikation von Automatisierungs-Use-Cases unterscheiden sich grundlegend von der Herangehensweise bei Co-Pilot-Funktionen. Automatisierungspotenziale lassen sich häufig besser Top-down erkennen – durch gezielte Prozessanalysen, denn Automatisierung erfordert oft eine grundlegende Umgestaltung der Abläufe. Co-Pilot-Use-Cases hingegen setzen auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Deshalb ist hier ein Bottom-up-Ansatz meist zu bevorzugen. Copilot Use-Cases, die ohne enge Zusammenarbeit mit den Stakeholdern entwickelt wurden, werden wahrscheinlich scheitern.

Die zentrale Herausforderung bei der Bottom-up-Identifikation von KI-Use-Cases liegt in der Befähigung der Mitarbeitenden. Denn wenn Beschäftigte und Stakeholder kein grundlegendes Verständnis von KI und ihren möglichen Anwendungsfeldern haben, fällt es ihnen schwer, sinnvolle Use Cases zu erkennen und einzuschätzen.

Use-Case-Erkundung mit Methode: Wie Workshops zwischen Technik und Fachbereich Brücken schlagen

Zwei sich ergänzende Lösungsansätze bieten sich hierfür an:

  1. Schulungen zur KI-Kompetenz (AI Literacy)
  2. Geführte Use-Case-Untersuchungen

Der erste Ansatz – oft unter dem Schlagwort AI Literacy zusammengefasst – verfolgt das Ziel, Mitarbeitenden ein grundlegendes Verständnis von KI zu vermitteln: Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es? Welche technischen, organisatorischen oder rechtlichen Herausforderungen sind zu erwarten?

Für Unternehmen, die in Europa tätig sind, ist AI Literacy längst kein „Nice-to-have“ mehr: Laut Artikel 4 des EU AI Acts wird von allen Mitarbeitenden, die im Alltag mit KI arbeiten, ein grundlegendes Verständnis für KI vorausgesetzt.

Der zweite Ansatz bringt KI-Expertinnen und -Experten mit Prozess-Stakeholdern an einen Tisch. Gemeinsam werden Use-Cases exploriert – KI-Fachleute bringen technisches Know-how mit, während die Stakeholder ihre fachliche Perspektive und praktische Erfahrung einbringen. So entsteht ein gemeinsames Verständnis dafür, wo und wie KI einen echten Mehrwert für bestehende Prozesse liefern kann.

Diese beiden Ansätze entfalten ihre größte Wirkung, wenn sie gemeinsam eingesetzt werden. Mitarbeitende, die bereits durch ein Grundlagen-Training sensibilisiert wurden, sind in Co-Creation-Workshops deutlich besser in der Lage, zielführend mit KI-Expertinnen und Experten zusammenzuarbeiten. Richtig konzipiert, tragen Trainings und Use-Case-Workshops auch dazu bei, im Unternehmen eine proaktive Haltung gegenüber künftigen KI-Initiativen zu fördern.

Von der Idee zum Impact: So entsteht echter Business Value durch KI

Kehren wir nun zurück zur Ausgangsfrage: Wie lassen sich KI-Wertschöpfungspotenziale im Unternehmen identifizieren und qualifizieren? Wir haben zwei zentrale Herangehensweisen vorgestellt. Für Automatisierung ist ein Top-down-Ansatz mit Fokus auf Prozessanalyse möglich und für manche Use-Cases zudem eine bessere Herangehensweise. Für Co-Pilot-Funktionalitäten hingegen ein Bottom-up-Ansatz, bei dem gemeinsam mit Mitarbeitenden identifiziert wird, wo, wann und wie KI die menschliche Arbeit sinnvoll ergänzen kann. Damit dieser zweite Ansatz funktioniert, sollten Mitarbeitende und zentrale Stakeholder zumindest über grundlegende KI-Kompetenzen verfügen. Das sollte nicht als strikte Regeln, sondern eher praktische Faustregeln verstanden werden.

AI_Literacy & EXPLORE_AI von CONET

Die Programme AI_LITERACY und EXPLORE_AI von CONET helfen Unternehmen dabei, den Bottom-up-Ansatz systematisch umzusetzen – von der ersten Sensibilisierung bis zur qualifizierten Use-Case-Entwicklung.

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Über den Autor

Foto: Simon Kiorgaard
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Dr. Simon Kiorgaard, AI-Berater, unterstützt Kunden bei der Entwicklung von KI-gesteuerten Strategien zur unternehmensweiten Prozessverbesserung. Dank seines Hintergrunds im Geschäftsprozessmanagement hat er ein Gespür für die Identifizierung von Wertschöpfungspotenzialen in verschiedenen Geschäftsprozessen.

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